Violetta gewinnt den Swiss Life Förderpreis 2023

Der Verein Violetta berät seit über 30 Jahren sexuell missbrauchte Mädchen und junge Frauen. Und hat damit in diesem Jahr den Swiss Life Förderpreis gewonnen. Mit den 20.000 Euro Preisgeld wird ein Präventionsprojekt für die Klassen 5 bis 10 finanziert.

Für Mädchen der gefährlichste Ort der Welt: Das eigene Zuhause 

„Du bist völlig normal, auch Deine Gefühle sind normal. Das, was nicht normal ist, ist das, was Dir passiert ist“, erklärt Thurid Bleinroth, Diplom-Pädagogin und Traumaberaterin beim Verein Violetta ihrer Klientin Melanie. Das Martyrium der mittlerweile erwachsenen Frau begann im Alter von sechs Jahren. Sie hatte noch keinen Namen für das, was ihr Stiefvater mit ihr machte. Aber sie hatte große Angst, Schuldgefühle und fühlte Scham. Erst im Alter von 19 Jahren traute sie sich, sich Hilfe zu holen. „Violetta half mir, das Schweigen zu brechen und hat mir meine Stimme wieder gegeben“, sagt die 29-Jährige.

Über 32.000 Kinder wurden 2022 Opfer sexueller Gewalt in Deutschland

Das, was Melanie passiert ist, ist kein Einzelfall und der Blick in die Kriminalstatistik offenbart Abscheuliches: Mehr als 30.000 Kinder sind im Jahr 2022 Opfer sexuellen Missbrauchs oder sexueller Gewalt geworden. „Und das sind nur die Fälle, bei denen es tatsächlich zur Anzeige kommt. Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher“, sagt Barbara David, Geschäftsführerin und Gründerin von Violetta. Sie selbst betreut mit ihrem Team um die 500 Fälle pro Jahr. „Davon werden allerdings weniger als 200 zur Anzeige gebracht“, so David. 

Perfide Täterstrategien: In den allermeisten Fällen in Familie oder Umfeld

Dabei ist der gefährlichste Ort nicht der dunkle Tunnel oder Wald, sondern die eigene Familie oder das private Umfeld. „Die allermeisten Missbräuche finden im eigenen Umfeld statt und werden begangen von Personen, denen die Mädchen eigentlich trauen müssten. Beispielsweise vom eigenen Vater, Stiefvater, Bruder – aber auch vom Freund der Familie, dem Sporttrainer oder dem Onkel“, beschreibt David die meist männlichen Täter. Doch es gibt auch Frauen, die Kinder missbrauchen – oder sie dem Täter zuführen. 

Hohe Steigerungsraten bei sexueller Gewalt und Darstellungen im Netz 

Diese erschreckende Entwicklung der letzten Jahre – insbesondere auch in der Corona-Zeit – beschäftige Violetta ebenfalls stark, beschreibt David die Lage. Häufig geschähen hierbei die Übergriffe durch Gleichaltrige, den Kumpel aus dem Sportverein, den Schulkamerad oder durch ganze Gruppen. „Sie zeichnen die Übergriffe und Vergewaltigungen auf, erpresse die Mädchen damit oder verbreiten die Filme“, schildert David die gängige Vorgehensweise. Hier müsse noch viel mehr getan werden, um die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen zu erhöhen, meint David. Violette begegnet diesem Thema aktiv in der Präventionsarbeit, hat aber mittlerweile auch immer mehr betroffene Klientinnen in der Beratung.

Präventionsangebot „Schulbesuche“

Die 20.000 Euro Preisgeld des Swiss Life Förderpreises fließen in das Präventionsprojekt „Schulbesuche“. Dahinter steckt ein Kennenlern-Angebot für Schülerinnen aller Schulformen der Klassen fünf bis zehn. „Ziel ist es, Violetta ein Gesicht zu geben und die Hemmschwelle abzubauen, sich beraten zu lassen. Die Mädchen wissen dann, wo sie hingehen können. Es kommt häufiger vor, dass Mädchen in die Beratung kommen und sagen: Ich war schonmal hier mit meiner Klasse“, so David. „Mit den 20.000 Euro können wir endlich die Stunden einer Kollegin aufstocken, die sich um diese „Schulbesuche“ kümmert. Wir sind unendlich dankbar dafür“, freut sich David.