„Das Gefühl der Trauer braucht in unserer Gesellschaft endlich einen festen Platz“ – Lavia Familientrauerbegleitung gewinnt Swiss Life Förderpreis 2022

Dieser Text beschäftigt sich mit dem Verlust von Angehörigen, z.B. durch Suizid. Menschen, die dieses Thema potentiell belastet, sollten eventuell nicht weiterlesen. Stattdessen finden Sie am Ende des Textes eine Auswahl möglicher Beratungsstellen.

„Der Papa der achtjährigen Luisa hat sich umgebracht als sie selbst noch nicht geboren war. Im Kindergarten hat Luisa noch recht sachlich ihre Erzieherinnen und andere Kinder darüber informiert, dass sich ihr Papa totgemacht hat. Erst In der Schule weinte sie häufig. Erst jetzt versteht sie, was ihr fehlt: Der Papa, den die anderen Kinder haben und sie nicht“, so schildert Mechthild Schroeter-Rupieper, Gründerin der „Lavia Trauerbegleitung“ einen aktuellen Fall aus ihrer Beratung. 

Die sympathische 59-jährige hat „Lavia“ vor über 30 Jahren gegründet. Zunächst hat sie Seminare zum Thema „Tod & Trauer“ für Erzieher*innen in einem Kindergarten angeboten. Sie war damals eine echte Pionierin auf dem Gebiet. Es gab weder Literatur noch Veranstaltungen zu dem Thema. Mittlerweile betreut „Lavia“ 220 trauernde Kinder und Erwachsene in 14 Gruppen, die Bücher der Gründerin sind Standardwerke für Betroffene und Fachleute im Kinder-, Jugend- und Familienbereich und auch medizinisches Personal belegt ihre Seminare. Und der Bedarf steigt. „Tod und Trauer sind auch heute noch ein Tabu, viele Menschen haben große Angst davor“, so die erfahrene Familientrauerbegleiterin. „Dabei gehört der Tod zum Leben einfach dazu. Und auch das Gefühl der Trauer braucht endlich einen festen Platz in unserer Gesellschaft“, ist sie überzeugt.

Kinder trauern anders 

Im Mittelpunkt der Arbeit von „Lavia“ stehen Kinder und Jugendliche. Gerade Kindern merke man die Traurigkeit häufig nicht an, meint die Trauerbegleiterin. „Sie wissen noch nichts über Endlichkeit. Kinder können nur in dem Maße traurig sein, in dem sie die Tragweite und die Auswirkung bereits verstehen.“ Und Trauer komme bei Kindern in Wellen. Sie äußere sich je nach Alter ganz unterschiedlich - erst in der Pubertät realisierten sie, was Verlust wirklich bedeutet, erklärt die Gelsenkirchenerin.

Sie ist überzeugt, dass Kinder dort abgeholt werden müssen, wo sie gerade stehen. Häufig öffnen sie sich in den Gruppentreffen nach einiger Zeit, oft passiert das beim kreativen Tun. „Während ich mit den Händen etwas tue, kann ich besser sprechen und nachdenken. Bastle ich meinen eigenen „Traumfänger“, ergeben sich Gespräche z.B. darüber, ob ich gerade gut schlafe, schlecht träume oder was mir Angst oder Sorgen macht“, beschreibt Schroeter-Rupieper eine der angewandten Methoden. Ein Allheilmittel für sofort gebe es allerdings nicht – wie auch, wenn Mutter, Vater oder ein Geschwisterkind stirbt. Häufig besuchen Betroffene die Gruppen jahrelang, weil sich insbesondere bei Kindern und Jugendlichen das Verlusterleben immer wieder verändert. Ziel sei es, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und zu lernen, dass man Trauer zulassen und Strategien entwickeln kann, mit dem Verlust gut weiterzuleben.

„Betroffene sind auch mit Trauer richtig“

Gar nicht einfach in einer Gesellschaft, die das Gefühl „Traurigkeit“ schon früh abtrainiert. „Sei doch nicht so traurig!“, „Lach doch endlich wieder“ oder „Deswegen muss man doch nicht weinen“ - Sätze, die wahrscheinlich jeder und jede kennt. In der heutigen Gesellschaft wird selten über Themen wie Verlust und Tod gesprochen. „Dabei ist Trauer eine wichtige menschliche Fähigkeit, mit der wir Leid überwinden“, ist Schroeter-Rupieper überzeugt.

„20.000 Euro! – Eine Spende in dieser Höhe gab es noch nie!“ 

Mit dem Gewinn des Swiss Life Förderpreises wird ab Juni 2023 eine neue Teilzeitkraft Lavia unterstützen. Zudem wird eine neue Gruppe für Kinder und Jugendliche angeboten, die sich speziell um das Thema Suizid in der Familie kümmert. Alles sehr schwere Themen, doch Schroeter-Rupieper ist die Freude über den Gewinn immer noch anzumerken. „Eine Spende in dieser Höhe gab es noch nie. Sie macht einen riesigen Unterschied für uns, wir finanzieren uns fast ausschließlich aus Spenden. Ein herzliches Dankeschön!“

Detlef Heinz und seine Partnerin übergeben den Scheck an Mechthild Schroeter-Rupieper.

“Ich danke allen, die Ihre Stimme beim Swiss Life Förderpreis 2022 der Lavia Familientrauerbegleitung gegeben haben. Ein Projekt, von dem ich zutiefst überzeugt bin und das ich als „Pate“ von Herzen gerne eingereicht habe. Mein ganz persönlicher Bezug zu Lavia: Meine Partnerin hat vor elf Jahren ihre Tochter im Alter von 13 Jahren bei einem Verkehrsunfall verloren. Sie ist als Bestatterin tätig und macht bei Frau Schroeter-Rupieper gerade eine Weiterbildung zur Familientrauerbegleiterin. Denn sie weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig und sinnvoll professionelle Begleitung in einer solchen Ausnahmesituation ist“

Detlef Heinz, Finanzberater, Swiss Life Select Castrop-Rauxel

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